Projekt

Die Berufsbildung in Neuseeland – Reform, Konstitution und Innovation

Neuseelands Berufsbildung befindet sich in einem radikalen Umbruch. Eine aktuelle Reform (ROVE), die 2019 begann, ist bis heute nicht abgeschlossen. Eine wesentliche Massnahme war die Gründung des New Zealand Institute of Skills and Technology (Te Pūkenga), welches die 16 Polytechnikums im Land in vier regionale Zentren unterteilt und ihre Funktion im Bereich der Erstausbildung ausweitet. Die Studie untersuchte die Strukturen der Berufsbildung in Neuseeland und die Einstellung der Wirtschaft zu deren Gestaltung.

Eine Frau aus einem Strassenteam bedient ein Stoppschild an einer Gefahrenstelle auf einer Landstraße in Canterbury, Neuseeland
Adobe Stock/Sheryl

Neuseeland benötigt dringend Fachkräfte in verschiedenen Berufsfeldern. Bisher war jedoch die Berufsausbildung, wie sie der Schweizer Lehre entspricht, und im NQF auf Niveau 4 angesiedelt ist, vordergründig in handwerklichen und baugewerblichen Berufen etabliert. Dies soll sich nun ändern und das Angebot an arbeitsintegriertem Lernen erweitert werden. Eine nationale Reform des Berufsbildungssystems und die damit einhergehende umfangreiche Neukonstituierung beteiligter Institutionen fordert alle am System Beteiligten heraus. Darüber hinaus haben auch die neuseeländischen Universitäten erkannt, dass mehr für die Employability ihrer Absolventen getan werden muss und erste arbeitsintegrierende Programme oder Kurse entwickelt. Der Trend zu mehr realer Arbeitserfahrung im Kontext der Bildung auf Tertiärstufe setzt sich kontinuierlich fort.

Infolge der Berufsbildungsreform und den daraus folgenden Neuerungen wurden in Zusammenarbeit mit neuseeländischen WissenschaftlerInnen die folgenden Forschungsfragen bearbeitet:

  • Wie gestaltet sich die Governance des neuseeländischen Berufsbildungssystems?
  • Wie wird das Lernen zwischen Praxis und polytechnischen Einrichtungen koordiniert? Wie können praktisches Lernen in Verbindung mit theoretischem Lernen besser aufeinander abgestimmt werden?
  • Welche Einstellungen und Überzeugungen haben die am System beteiligten Personen hinsichtlich der weiteren Gestaltung der Berufsbildung in Neuseeland?

Auf der Basis der Datenerhebung wurden die Themen Chancen und Risiken der Berufsbildungsreform, Einstellungen, Werte und Überzeugungen hinsichtlich der beruflichen Erstausbildung sowie, Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen für die Berufsbildung untersucht.

Methode

Informationen zur Reform und der daraus resultierenden Neugestaltung des Berufsbildungssystems wurden im Rahmen von qualitativen semi-strukturierten Interviews erhoben. Interviewpartner:innen waren Lernende, Ausbilder, Lehrpersonen und Manager an den polytechnischen Schulen, Vertreter von Branchenorganisationen und Bildungsbehörden, Akademiker an Universitäten und Regierungsvertreter. Die Interviews wurden transkribiert werden und gemeinsam mit Akademikern aus Neuseeland ausgewertet und analysiert.

Ergebnisse

llen Interviewten auf grosses Interesse aufgrund der sehr umfangreichen und tiefgreifenden Berufsbildungsreform und damit einhergehender Fragestellungen. Aufgrund dessen erfolgte die Einladung zu zahlreichen Vorträgen zur Berufsbildung der Schweiz sowie Reflektionen und ersten Erkenntnissen über die Verfasstheit der Neuseeländischen Berufsbildung. Das Berufsbildungssystem im Land wurde einer grundlegenden Reform unterzogen, die eine Neukonstituierung ihrer Institutionen mit dem Ziel der Effizienzsteigerung, der verbesserten Erreichbarkeit von Randgruppen und eines stärkeren Praxisbezuges der Ausbildungen mit sich brachte. Die Funktionen einzelner neu entstandener oder geplanter Institutionen, insbesondere derer mit Bezug zur Arbeitswelt, müssen weiter ausdifferenziert und voneinander abgegrenzt werden. Für die polytechnischen Schulen wird die Verstärkung des Praxisbezuges bzw. die Integration des Lernens in der Praxis eine Herausforderung. Der umfangreiche mit der Reform einhergehende Personalwechsel und das entstandene temporäre Defizit an konkreter Umsetzungsplanung, führen zu einer deutlichen Verunsicherung aller Beteiligten. Die Ausrichtung auf mehr Praxisbezug wird von Praxisvertretern begrüsst und eingefordert, insbesondere auch um dem vorherrschenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die Ausbildung der Lehrpersonen erfolgt wenig strukturiert und bedarf eines Ausbaus und einer Professionalisierung. Duale Ausbildungen sind nur für wenige Berufe vorhanden und sollen ausgeweitet werden. Die Bedingungen der dualen Ausbildung unterscheiden sich deutlich von denen in der Schweiz in Bezug auf Alter der Teilnehmenden, Qualifikation der Lehrpersonen und Ausbilder, Arbeitsbedingungen, Umfang der schulischen Bildung, Vergütung und Qualitätsstandards. Zur Kooperation zwischen der Schweiz, Neuseeland und Australien in der Berufsbildung wurde im Rahmen des Global Apprenticeship Networks (GAN) eine Vereinbarung unterzeichnet (siehe Neue Partnerschaften in Australien und Neuseeland).