Projekt

Evaluation des Projektes «n47e8» des Bildungszentrums Limmattal

2018 wurde das pädagogische Konzept «n47e8» erstmals mit Lernenden der Logistik am Bildungszentrum Limmattal (BZLT) eingesetzt. Das Konzept soll die Handlungskompetenzorientierung, die Individualisierung und die Erfahrung der Selbstwirksamkeit in digitalen und physischen Lernräumen sinnvoll miteinander verbinden. Die EHB hat die BLZT wissenschaftlich begleitet und untersucht, inwiefern sich Lernende der Klassen mit n47e8 von Lernenden in Vergleichsklassen in ihren Kompetenzen unterscheiden.

Porträt von modernen Zimmerleuten, die in einer Holzverarbeitungsfabrik arbeiten, Fokus auf eine junge Frau, die in die Kamera im Vordergrund lächelt, Kopierraum
Adobe Stock/Seventyfour

Als Kompetenzzentrum für Logistik und Technologie bietet das Bildungszentrum Limmattal berufliche Grundbildung und höhere Berufsbildung sowie berufsbezogene Innovationsprojekte und überfachliche Weiterbildung. Die über 1200 Lernenden sollen sich eigenverantwortlich und selbstständig entwickeln - auch in ihrer zukünftigen Laufbahn. Dies ist das pädagogische und methodisch-didaktische Credo des Bildungszentrums Limmattal und der Fokus zur Entwicklung der Lehrformen und Lerninstrumente.

Resultat dieser Vision ist das Projekt «n47e8». «n47e8» ist ein pädagogisches Konzept, welches die Handlungskompetenzorientierung, die Individualisierung und die Erfahrung der Selbstwirksamkeit in digitalen und physischen Lernräumen sinnvoll miteinander verbindet. Es wird anhand eines Learning Management Systems (LMS) umgesetzt, in dem die Lernenden im eigenen Tempo konkrete Lernsituationen anhand von Missions bearbeiten. Die Missions bestehen aus Instrumenten und Informationen für den Aufbau der Kompetenzen sowie handlungsorientierten, individualisierten Übungsfeldern und Vertiefungsmöglichkeiten, in denen die Kompetenzen in konkreten Situationen angewandt und erste Transferschritte ermöglicht werden.Eine Pilotklasse des Projektes wurde im Schuljahr 2018/19 vom Bildungszentrum Limmattal in Eigenregie evaluiert. Von 2019 bis 2023 war die Fachstelle Evaluation der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung EHB mit der Evaluation dieses Projektes beauftragt. Dabei wurden die Sichtweisen der verschiedenen Akteure (insbesondere Lernende, Lehrpersonen und Berufsbildende) zu verschiedenen Zeitpunkten der Lehre einbezogen. Folgende Evaluationsfragestellungen standen im Vordergrund:

  • Inwiefern gibt es Unterschiede in der Entwicklung der fachlichen und überfachlichen Kompetenzen zwischen den Lernenden aus LMS und nicht-LMS Klassen?
  • Inwiefern gibt es Unterschiede bei der Lern- und Leistungsmotivation zwischen Lernenden aus LMS und nicht-LMS Klassen?
  • Inwiefern gibt es Unterschiede in der Selbstwirksamkeitserwartung zwischen Lernenden aus LMS und nicht-LMS Klassen?
  • Inwiefern wird die Beziehungskultur in den LMS Klassen gefördert?
Methode

Konkret wurden folgende wissenschaftliche Begleitaktivitäten realisiert:

  • Online-Erhebung bei Lernenden der LMS Klassen und nicht-LMS Klassen zu mehreren Zeitpunkten während der Lehre
  • Online-Erhebung bei und Workshop mit Lehrpersonen
  • Workshop mit Berufsbildenden
Ergebnisse

Die Lernenden schätzen sich generell als kompetent bzgl. der verschiedenen Bereiche ein. Bei der Zielorientierung, der Methoden- und Personalkompetenz zeigt sich jedoch, dass sich die Lernenden am Ende der Lehre etwas tiefer einschätzen als zu Beginn der Lehre (unabhängig davon, ob sie in einer LMS oder nicht-LMS Klasse teilnehmen). Diese tiefere Einschätzung ist möglicherweise auf eine realistischere und kritischere Selbsteinschätzung im Verlauf der Lehre zurückzuführen, insbesondere in Kenntnis der dann gemachten Erfahrungen – die Einschätzungen bei den späteren Zeitpunkten könnten also auf Basis eines anderen Vergleichsmassstabs erfolgen als zu Beginn der Lehre. Bei der Selbstständigkeit zeigt sich ein unterschiedlicher Verlauf für Lernende der LMS und nicht-LMS Klassen: Während die Selbsteinschätzung bei den Lernenden der nicht-LMS Klassen über die Zeit sinkt, steigt sie bei den Lernenden der LMS Klassen im letzten Lehrjahr an. Zum Ende der Lehre geben alle Lernenden (unabhängig der Teilnahme an einer LMS Klasse) an, dass sie an Kompetenzen und Motivation gewonnen haben.

Die Lernenden haben ein relativ gutes Selbstwert- und Selbstwirksamkeitsgefühl und denken, dass sie die Ausbildung wahrscheinlich erfolgreich abschliessen. Das Klassenklima wird von allen Lernenden positiv beurteilt und die Zusammenarbeit ebenfalls als eher gut.

Die Lernenden der LMS Klassen fühlten sich in Bezug auf die Qualifikationsverfahren etwas besser vorbereitet als die Lernenden der anderen Klassen. Zudem zeigte sich, dass die Lernenden der LMS Klassen ihre Leistungen besser einschätzen können und die Lernenden der nicht-LMS Klassen ihre Leistungen eher überschätzen. Dies weist darauf hin, dass das LMS den Lernenden ein besseres Feedback über ihre Leistungen gibt, so dass ihre Einschätzung bzgl. Noten realistischer ist.

Die EFZ-Lernenden der LMS-Klassen (die EBA-Lernenden haben diesen Aspekt nicht bewertet) nahmen eine höhere Steuerung des eigenen Lernens sowie der Lernumgebung (z.B. Auswahl der Materialien, des Tempos) wahr als die Lernenden der Nicht-LMS-Klassen. Dies zeigt, dass der individuelle Aspekt des LMS wahrgenommen und genutzt wird. Bei der Einschätzung des Fernunterrichts (im Rahmen der Covid-Situation) gibt es ebenfalls sehr klare und konsistente Unterschiede zwischen den Lernenden der LMS Klassen und nicht-LMS Klassen. Die Lernenden der LMS Klassen konnten wesentlicher leichter mit der Umstellung umgehen und bewerteten auch ihren Lehrpersonen besser als die anderen Lernenden. Dies ist möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die Lernenden das selbstständige Arbeiten bereits stärker gewohnt sind und der Fernunterricht sowohl für sie wie auch für ihre Lehrpersonen eine weniger grosse Umstellung war als für Lernende und Lehrpersonen der nicht-LMS Klassen.

Die grosse Mehrheit der Lehrpersonen ist mit dem Konzept n47e8 zufrieden und schätzt es als sinnvoll für die Lernenden ein. Persönlichen Entwicklungsbedarf sehen sie am ehesten bei der veränderten Rolle als Lehrperson (Coachingkompetenzen und Lernprozessgestaltung). Beim LMS sehen sie Weiterentwicklungsbedarf bei der Benutzerfreundlichkeit, der Übersichtlichkeit, sowie der Sichtbarkeit des Lernprozesses.

Die Berufsbildenden kennen das Konzept n47e8 eher wenig. Der innovative Charakter, die Selbstständigkeit, sowie das individualisierte Lernen werden positiv hervorgehoben, allerdings wird die Befürchtung geäussert, dass schwächere Lernende «untergehen», da sie das selbstständige Arbeiten eventuell eher überfordert.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Lernenden generell gerne mit dem LMS arbeiten. Vor allem das selbstständige Arbeiten ist für viele ein Vorteil gegenüber dem «regulären» Klassensystem.