Projekt

Digitalisierung und Weitergabe klinischer Informationen in der Pflege: Implikationen und Perspektiven (Digi-Care)

Das Projekt untersuchte anhand von Beobachtungen in Spitälern den Einfluss von Digitalisierung auf die Weitergabe klinischer Patienteninformationen in der Pflege. Welche neuen Kompetenzanforderungen entstehen? Können IT-Lösungen und deren Nutzbarkeit verbessert werden? Als Ergebnis entstanden ein Multimedia-Prototyp und Lernsituationen für die Aus- und Weiterbildung von Pflegefachpersonen sowie mögliche Optimierungen von Arbeitsabläufen in digitalen Systemen.

Eine Pflegefachfrau mit einem Tablet-Computer spricht mit einem älteren Patient im Krankenhaus.
Adobe Stock/Gorodenkoff

Das Projekt ist Teil des Nationalen Forschungsprogramms NFP 77 «Digitale Transformation» des Schweizerischen Nationalfonds. Es wurde von der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung EHB in Kooperation mit dem Institut für Medizininformatik der Berner Fachhochschule BFH durchgeführt. Am Projekt beteiligten sich Spitäler und Bildungsinstitutionen aus der Deutschschweiz und dem Tessin.

Durch die zunehmende Digitalisierung im Gesundheitswesen ändert sich auch die Art und Weise der Kommunikation und der Wissensweitergabe in Pflegeteams. Ziel des Projekts war es zu verstehen, wie der Einsatz digitaler Hilfsmittel und klinischer Informationssysteme die Weitergabe klinischer Patienteninformationen in den Pflegeteams beeinflusst. Diese ist von höchster Priorität, um die Kontinuität der Patientenversorgung sicher zu stellen und Behandlungsfehler zu vermeiden. Es wurden Auswirkungen auf die Kompetenzanforderungen von Pflegefachpersonen aufgezeigt und IT-bezogene Ereignisse identifiziert, die aus technologischer Sicht als kritisch beurteilt werden können.

Bislang gibt es nur wenige Studien, die sich mit kooperativen und interaktiven Arbeitsprozessen im Pflegebereich befassen und die Erfahrungen von Pflegefachpersonen als Grundlage für mögliche pädagogische und technologische Innovationen nutzen. In der Studie wurden weder die Qualität pflegerischer Tätigkeiten auf den Abteilungen noch die Qualität der verwendeten digitalen Hilfsmittel und klinischen Informationssysteme vergleichend evaluiert. Vielmehr wurde die Perspektive der involvierten Pflegefachpersonen bei der Nutzung digitaler Hilfsmittel untersucht und daraus folgend Verbesserungsoptionen erarbeitet.

Ausgangslage bildete eine ethnographische Studie in Spitälern, bei der Pflegefachpersonen während ihrer Arbeit begleitet und gefilmt wurden. Die beteiligten Pflegefachpersonen wurden anschliessend gebeten, Ausschnitte ihrer gefilmten Tätigkeit zu kommentieren, um ihre Perspektive einzubringen. Es wurden typische Situationen der Informationsweitergabe mit Einsatz digitaler Hilfsmittel identifiziert und zusammen mit beteiligten Pflegefachpersonen, Pflege- und Informatikverantwortlichen der Spitäler und Ausbildungsverantwortlichen validiert. Auf dieser Grundlage entwickelten wir einen Multimedia-Prototyp in Form eines interaktiven 360° Videos zum Thema Dienstübergabe und formulierten Lernsituationen für die Aus- und Weiterbildung von Pflegefachpersonen. Zudem erfassten wir während der Beobachtungen in den Spitälern IT-bezogene Ereignisse bei der Weitergabe klinischer Patienteninformationen und entwickelten Prototypen möglicher technischer Lösungen, um die Gebrauchstauglichkeit digitaler Hilfsmittel und die Abläufe zu verbessern. Die Prototypen und Lernsituationen wurden mit Fachpersonen aus der Pflege, Bildung und Informatik validiert.

Ergebnisse

Hier können Sie den Multimedia-Prototyp zum Thema Dienstübergabe zum Erlernen wichtiger digitaler Kompetenzen und die Lernsituationen abrufen. Ferner finden Sie ausprogrammierte Mockups für zwei ausgewählte Use cases (eine digitalisierte individuelle Pflegearbeitsliste auf Mobilgeräten als Ersatz für Papier, sowie ein Mockup einer digital geführten Checkliste beispielsweise im präoperativen Vorgehen). Zwei weitere IT-Ereignisse wurden auf der Ebene optimierbarer Arbeitsabläufe dargestellt.

Interactive Image with clickable areasMultimedia-PrototypLernsituationenIT-Mockup 1 - PflegearbeitslisteIT-Mockup 2 = Präoperative ChecklisteIT-Anwendungsfallbeschreibungen
Methode

Die Forschungsarbeit umfasste mehrere Phasen:

In der ersten Phase führten wir in sechs Spitalabteilungen, zwei davon in der italienischen Schweiz und vier in der Deutschschweiz, eine ethnografische Studie mit Job Shadowing und Autokonfrontationsinterviews durch. Erfasst wurden Situationen, in denen klinische Patienteninformationen mithilfe digitaler Hilfsmittel weitergegeben werden, und die von den Studienteilnehmenden als bedeutsam wahrgenommen wurden. Um die subjektive Bedeutung der Situationen für die Pflegefachpersonen zu erfassen, führten wir semiologische Analysen der Tätigkeit durch. Während der Beobachtungen protokollierten wir zudem IT-bezogene Ereignisse. Diese wurden daraufhin überprüft, ob sie mit einer verbesserten Gebrauchstauglichkeit (Usability) der IT-Systeme vermieden werden könnten.

In der zweiten Phase wurden in einem mehrstufigen Auswahlprozess als bedeutsam erachtete Situationen der Informationsweitergabe und als verbesserungswürdig eingestufte IT-Ereignisse ausgewählt und mit beteiligten Pflegefachpersonen sowie Pflege- und Informatikverantwortlichen in mehreren Workshops validiert. An den grösseren regionalen Workshops nahmen zusätzlich Ausbildungsverantwortliche der Spitäler sowie Vertreterinnen und Vertreter und Studierende von Bildungsinstitutionen teil.

In der dritten Phase entwickelten wir auf der Grundlage der ausgewählten Situationen einen Multimedia-Prototyp in Form eines interaktiven 360° Videos und formulierten weitere Lernsituationen, die künftig in Bildungsinstitutionen und Spitälern für die Aus- und Weiterbildung von Pflegefachpersonen eingesetzt werden können. Die Entwicklung der Lernsituationen wurde von einer Gruppe von Vertreterinnen und Vertreter aus den Spitälern und Bildungsinstitutionen begleitet.

Für ausgewählte IT-Ereignisse entwickelten wir verbesserte Arbeitsabläufe respektive Mockups, die aufzeigen, wie solche Ereignisse künftig durch bessere Gebrauchstauglichkeit vermieden werden können. Diese wurden von Pflegefachpersonen und IT-Fachpersonen aus den Spitälern validiert.

Publikationen
Transfer in die Praxis
Präsentationen
Links