Projekt

Projektbegleitung der Informatikausbildung 4.0 der gibb Berufsfachschule Bern

Die duale Berufsbildung der Schweiz soll flexibler und modularer und somit für Ausbildungsbetriebe und Auszubildende attraktiver werden. Diese Forderungen aus dem nationalen Leitbild «Berufsbildung 2030» hat die gibb Berufsfachschule Bern mit dem Pilotprojekt «Informatikausbildung 4.0» aufgegriffen. Ziel war es, die berufliche Grundbildung Informatiker/-in mit eidgenössischem Fähigkeitszeugnis (EFZ) für Lernende und Lehrbetriebe mit einem flexiblen und bedarfsgesteuerten Ausbildungsmodell attraktiver zu machen.

Industrie 4.0 des Öl- und Gasraffinierungsprozesses der Raffinerieanlage, Doppelte Exposition des Ingenieurs bei der Arbeit, Industrielles Energiesystem Netzwerksymbolkonzept
Adobe Stock/JT Jeeraphun

Informatikausbildung 4.0 ist ein Innovations-Programm der gibb Berufsfachschule Bern für die modulare Informatikausbildung. Es bestand aus drei Projekten:

  1. Die bedarfsgerechte Flexibilisierung der Informatikausbildung (Fleba) ermöglichte es den Lernenden, die erforderlichen Informatik-Module zur für sie passenden Zeit zu besuchen, damit sie das Gelernte in der betrieblichen Ausbildung optimal anwenden können.
  2. Im Rahmen des Projektes SOL (selbst-organisiertes Lernen) wurde ein dreistufiges Modell erarbeitet, das den Lernenden ein niveaugerechtes, begleitetes Selbststudium ermöglicht.
  3. Im Projekt Smartlearn wurde eine handlungskompetenz-orientierte, digitale Lern- und Prüfungsplattform geschaffen.

Das Innovations-Programm Informatikausbildung 4.0 wurde passend zu den Zielsetzungen des SBFI im Rahmen von Berufsbildung 2030 lanciert, um offenen Punkten in der modularen Informatikausbildung besser zu begegnen. Denn das Modulsystem von ICT Berufsbildung Schweiz bietet zwar viele Möglichkeiten der Flexibilisierung und Individualisierung, aber bisher wurden sie viel zu wenig genutzt. Hier setzte das Programm mit seinen drei Projekten an. Es wurde von 2018 bis 2022 von der Fachstelle Evaluation der EHB evaluativ begleitet.

Methode

Um eine Informationsbasis für Verbesserungen und Entwicklungen zu schaffen, wurden im Wesentlichen Workshops mit Lehrpersonen und Berufsbildenden sowie Fragebogenerhebungen bei Lernenden durchgeführt.

Zur Überprüfung der Wirkung wurde eine Längsschnittstudie durchgeführt, bei der mit Online-Erhebungen bei Lernenden mit der neuen Ausbildung sowie bei Vergleichsklassen zu mehreren Zeitpunkten während der Lehre Inhalte wie Selbstwert, diverse Kompetenzen als Indikatoren für Lernerfolg, Lern- und Leistungsmotivation, Engagement in der Schule etc. erfasst wurde.

Ergebnisse

Fleba

Der im Projekt Fleba zu Beginn gelegte Fokus auf eine zeitliche Flexibilisierung erwies sich als sinnvoller erster Schritt, aber er schöpft das Potenzial nicht aus. So sieht man bei Fleba-Lernenden in Bezug auf den Lernerfolg nur wenige bis keine Unterschiede gegenüber Lernenden ohne Fleba. Auch die Einschätzungen zu Kompetenzerwerb und -entwicklung fallen vergleichbar aus. Dies ist zum einen inhaltlich wenig überraschend, da sich nur die Reihenfolge des Lernstoffs, aber selten der Lernstoff selbst geändert hat. Zum anderen stellen insbesondere die Lehrpersonen fest, dass die sich durch Fleba bietende Flexibilisierung von den Lernenden kaum genutzt wird. Bei der Vorstellung der Projektergebnisse wurde das von den Lehrpersonen u.a. damit begründet, dass das Modul-System zu wenig flexibel sei und mehr in dieser Richtung bieten müsste.

Die Lehrpersonen fühlen sich in Fleba stärker belastet. Der Grund: ein zu wenig gut eingeführter Wechsel von zwei Lektionen auf vier Lektionen pro Woche (bei gleichbleibender Gesamtlektionenzahl von 40, was die Unterrichtsdauer von einem Semester auf ein Quartal gekürzt hat). Dabei besteht ein Zusammenhang mit SOL3: Lernende können anstelle der Schule einen halben Tag (4 Lektionen) in der Ausbildungsfirma verbringen, was bei zwei Lektionen nicht möglich war. Gleichzeitig denken die Lehrpersonen, dass sie den Lehrstoff mit Fleba mehr oder weniger gleich gut vermitteln können wie ohne. Nach anfänglicher Kritik wurden die an die 4-Lektionenblöcke sowie an die neue Bildungsverordnung angepassten Lernunterlagen von den Lehrpersonen und auch den Lernenden positiv beurteilt.

Es ist eine grosse Herausforderung, die Betriebe mit auf die Reise zu nehmen. Viele betriebliche Berufsbildende kennen das Fleba-Konzept nicht gut genug, viele wünschen mehr Informationen durch die gibb. An entsprechenden Workshops nahmen allerdings nur sehr wenige Personen teil; dies deutet darauf hin, dass die Netzwerkarbeit Schule/Betrieb verbesserungswürdig ist. Wie an manch anderer Schule könnten solche Veranstaltungen zum regelmässigen Networking und zur Beziehungspflege genutzt werden. Wie stark das Interesse der Betriebe an solchen Aktivitäten schlussendlich wäre, bleibt an dieser Stelle offen – auch wenn über 80% der Berufsbildenden eine fachliche Zusammenarbeit Lehrbetrieb-Berufsfachschule für (eher) wünschenswert halten. Erfahrungen an anderen Orten machen ebenfalls Mut, so dass sich Investitionen in eine solche Beziehungsarbeit lohnen könnten. Verschiedene Fleba-Merkmale wurden im Durchschnitt recht neutral bewertet. Immerhin rund die Hälfte findet (eher), dass Lernende früher im Betrieb einsetzbar sind, was ein zentrales Projektziel war.

SOL

Im Projektverlauf wurde das Konzept des selbst-organisierten Lernens bis hin zu SOL3 weiterentwickelt. SOL nimmt an der gibb eine zentrale Rolle ein. Das Modell kommt gut an, und mittlerweile ist es auch bei den betrieblichen Berufsbildenden gut bekannt; auch sie beurteilen SOL3 mehrheitlich positiv. Erste Ergebnisse mit SOL3 bei allerdings (noch) wenigen Lernenden sind ebenfalls vielversprechend mit einer nochmaligen Steigerung gegenüber SOL1 und SOL2, deuten aber auch auf eine besondere Nützlichkeit eher für besonders leistungsstarke und motivierte Jugendliche hin. Wie gross der Bedarf wirklich ist, wird noch zu prüfen sein. Der juristisch mögliche Rahmen (zum Beispiel Abwesenheiten von der Schule) muss bei einer möglichen Ausweitung explizit berücksichtigt werden.

Smartlearn

Die Mehrheit der Lernenden schätzt Smartlearn als positiv für ihren Lernprozess ein, und inhaltlich wird Smartlearn von den Lehrpersonen geschätzt. Allerdings gibt es noch Funktions- und Aktualitätsprobleme. Solche Kinderkrankheiten sind im Rahmen erster Schritte aber nicht ungewöhnlich.

Publikationen