Projekt

Analyse einer intergenerationellen Lernorganisation - Fallstudie über Freiwilligenarbeit zur Pflege kranker Menschen am Waadtländer Unispital

Ziel dieser neuen Studie am EHB ist es, die Dynamik und Bedingungen des intergenerationellen Lernens von Freiwilligen zwischen 20 und 80 Jahren in der Pflege am Waadtländer Unispital (Centre Hospitalier Universitaire Vaudois – CHUV) zu untersuchen. In Schulungen können sich die Freiwilligen austauschen und voneinander lernen.

Dmitry Naumov / Fotolia

 Ziel der Untersuchung und Begleitung ist es, die Dynamik und die Bedingungen des intergenerationellen Lernens zu beobachten  und besser zu verstehen, wie das Lernen bei verschiedenen Generationen abläuft, insbesondere bei der Generation der Personen über 65 Jahren. Dabei geht es darum, die Besonderheiten zu erkennen in der Art, wie jede Generation von Freiwilligen ihre Lebenserfahrungen nutzt, um zum gemeinsamen Lernen beizutragen. Anhand einer realen Situation untersuchen wir Freiwillige verschiedener Altersgruppen von 21 bis 81 Jahren, die gemeinsam lernen, kranke Menschen in der Pflegabteilung des Waadtländer Unispitals (Centre Hospitalier Universitaire Vaudois – CHUV) zu betreuen. Die Freiwilligen sind beim Beginn ihrer Tätigkeit am CHUV, unabhängig von ihrem Alter, allesamt Neueinsteigerinnen bzw. Neueinsteiger. Die Schulung umfasst eine Grundausbildung von acht Tagen und Pflegezeiten, in denen sich die Freiwilligen austauschen und voneinander lernen können etwa in Austauschrunden und der Analyse von Arbeitsweisen.

Zunächst werden wir die Schulung und Betreuung seitens des CHUV untersuchen. Sodann wird eine Zielgruppe von sechs Freiwilligen unter 65 Jahren und sechs Freiwilligen über 65 Jahren zusammengestellt, um die Sicht der Freiwilligen auf das intergenerationelle Lernen zu beleuchten und Erfolgsfaktoren zu ermitteln. Anhand eines Protokolls mit Verständnisfragen und praktischen Übungen zur Reflexion werden wir die zwölf Freiwilligen der Zielgruppe zum Transformations- und Selbständigkeitspotential der vom CHUV angebotenen Schulung befragen.

Die Ergebnisse des Projekts werden zusammen mit den Freiwilligen interaktiv am Tag der Freiwilligenarbeit im September 2019 am CHUV präsentiert.

Das Projekt wird, unter anderem, von der Leenaards-Stiftung mitfinanziert.

Methode

Um die Dynamik und die Erfolgsfaktoren der intergenerationellen Lernumgebung mit Senioren über 65 Jahren zu analysieren, haben wir ein Verfahren in vier Schritten entwickelt: (i) Analyse und Beobachtung der Umgebung mit Freiwilligen unter 65 Jahren und Freiwilligen über 65 Jahren; (ii) Einzelgespräche, anhand derer die Sicht der Freiwilligen betreffend ihre Erwartungen und Interessen zum intergenerationellen Lernen gesammelt werden; (iii) eine praktische Übung, bei der die befragten Freiwilligen in drei Workshops eine Form des intergenerationellen Lernens kennenlernen (praktische Übungen zur Reflexion); und (iv) eine Feedbackrunde, in der eine Bilanz des intergenerationellen Lernens in den praktischen Übungen d gezogen wird.

  1. Analyse der Lernumgebung für die Freiwilligen am CHUV. Die Analyse besteht aus folgenden Schritten:
    a) Analyse der verfügbaren Unterlagen und Anleitungen (Bedingungen für Freiwilligenarbeit, Lerninhalte, Charta, Statistiken usw.);
    b) Gespräche/Diskussionen mit den Verantwortlichen und Lehrpersonen;
    c) Beobachtung der Schulung der Freiwilligen und Praxisanalysen
  2. Gespräche zur individuellen Sicht der Freiwilligen. Anhand eines Protokolls mit Praxisberichten und zusammenfassenden Interviews werden wir in Einzelgesprächen das Transformations- und Selbständigkeitspotential der Schulung abfragen. Die leidfadengestützten Interviews werden mit sechs Personen unter 65 Jahren und sechs Personen über 65 Jahren geführt. Dabei wird auf eine ausgewogene Verteilung der Geschlechter und neuer (in Ausbildung) und erfahrener Freiwilliger (d.h. mit abgeschlossener Schulung und zwei oder mehr Jahren Erfahrung in der Betreuung kranker Personen) achten. Die Interviews werden aufgezeichnet und anhand der Software für qualitative Datenanalyse NVivo codiert.
  3. Praktische Übungen zur Reflexion. An diesen Übungen beteiligen sich alle zwölf befragten Freiwilligen, und sie finden drei Mal statt. Es handelt sich um kollektive Übungen zur Reflexion des Gelernten in der Freiwilligenarbeit. Methodisch bewegen wir uns dabei zwischen einer praktischen Analyse, gemeinsamen Gesprächen (oder einer Fokusgruppe) und Erfahrungsberichten, welche die intergenerationelle Zusammenarbeit stärken sollen. Die Übungen werden von uns geleitet und beobachtet, insbesondere in Bezug auf das kollektive Lernen durch die Erfahrungsberichte. Wir werden also Daten erheben, um besser zu verstehen, wie intergenerationelles Lernen in dieser Übungsumgebung funktioniert. Die Übungen wurden nach dem dialogischen Format (Ricœur, 1990) entworfen, das auf Erfahrungswissen setzt und davon ausgeht, dass Wissen in der Interaktion mit anderen im Kontext des Wiedererkennens und der Gegenseitigkeit (Eneau, 2005) erworben wird. Durch den narrativen und intersubjektiven Aspekt werden die Erfahrungen kohärent sortiert, so dass eine persönliche und kollektive Reflexion möglich wird, die sich auf Beziehungen, Umgebungen und vergangene Erfahrungen stützt (Delory-Monberger, 2014). So können Bedingungen geschaffen werden, mit denen die Personen einander begegnen, sich austauschen und miteinander lernen können. Dies geschieht in Situationen, die wir «Lerngesellschaften» (sociabilité éducative, siehe Pentecouteau, 2015, S. 99) nennen.
  4. Ausarbeitung und Bewertung einer gemeinsam von den Freiwilligen erarbeiteten Aufgabe. Diese Produktion wird ausgehend von den praktischen Übungen (s. oben) erarbeitet und hat folgende Ziele:
    a) Bestimmung, Nutzung und Sichtbarmachung der Lernerfolge der Freiwilligen durch eine gemeinsame Produktion (beispielsweise schriftliche oder filmische Gegenüberstellung der Altersgruppen), die sodann präsentiert und bewertet wird.
    b) Gemeinsames Lernen: Die Vergegenwärtigung im Gespräch und Rückmeldungen zu den Erfahrungen sind Teil des Lernprozesses (Lainé, 2006). Dies gibt auch uns die Gelegenheit, uns am Prozess zu beteiligen.
Präsentationen