Das Ende der Berufsbildung, wie wir sie kennen? Kompetenzentwicklung in Zeiten des technologischen und gesellschaftlichen Wandels

Zollikofen, 6. März 2019 – Werden junge Erwachsene durch die Berufsbildung gut genug auf ihr Berufsleben und die Gesellschaft vorbereitet? Am 6. Internationalen Kongress für Forschung in der Berufsbildung wurden grundlegende Fragen zur Berufsbildung in Zeiten der Unsicherheit und des Wandels aufgeworfen. Neue technologische Fähigkeiten und Sozialkompetenzen sowie Kreativität und innovative Ideen sind gefragt.

EHB VET Congress 2019
EHB / Jan Hellman

Das Eidgenössische Hochschulinstitut für Berufsbildung EHB organisiert alle zwei Jahre den Internationalen Kongress für Forschung in der Berufsbildung. An der diesjährigen Ausgabe, die vom 4. bis 6. März in Bern stattfand, nahmen 170 Personen aus 26 Ländern teil. Der Best Paper Award ging an eine Studie über die Spezifität von Kompetenzen in der beruflichen Grundbildung von Miriam Grønning, Irene Kriesi und Stefan Sacchi, die sich gegen über 90 Eingaben durchgesetzt haben.

Professor Christian Lyhne Ibsen von der Michigan State University stellte seine Überlegungen zur Berufsbildungspolitik in der digitalen Wirtschaft vor. Er forderte, die Berufsbildung solle eine Schlüsselrolle spielen, um die sozioökonomische Gleichberechtigung in der Gesellschaft zu verstärken. Duale Berufsbildungssysteme seien stets in der Lage gewesen, auf technologische Veränderungen zu reagieren, indem Inhalt und Struktur der Berufsbildungsprogramme schrittweise an den Fachkräftebedarf der Arbeitgeber angepasst worden seien. Das Tempo des technologischen Wandels habe sich durch die Digitalisierung jedoch erhöht, so dass Zweifel angebracht seien, ob schrittweise Anpassungen der Berufsbildungsprogramme an die wirtschaftliche Nachfrage ausreichen würden, um den Fachkräftebedarf der digitalen Wirtschaft zu decken.

Wachsendes Interesse an menschlichem Lernen

In der Präsentation von Professorin Elsbeth Stern von der ETH Zürich ging es um Neurowissenschaften in der Bildungsforschung als ein Feld zwischen falschen Hoffnungen und realistischen Erwartungen. Die Neurowissenschaften in der Bildungsforschung sind ein interdisziplinärer Bereich, der hauptsächlich durch verbesserte bildgebende Verfahren für das Gehirn und das wachsende Interesse an menschlichen Lernprozessen in- und ausserhalb von Schulen entstanden ist. Viele Wissenschaftler/innen im Bereich der Lernforschung schätzen die zusätzlichen Informationen über menschliches Lernen und menschliche Kognition, die sich neben den Tests und Verhaltensbeobachtungen durch die Aufzeichnung der Hirntätigkeit gewinnen lassen. Obwohl die Erwartungen der Öffentlichkeit über die heutigen Möglichkeiten hinausgehen, wird die Lehr- und Lernforschung dadurch stark bereichert. So liefern etwa neuronale Intelligenzmodelle ein besseres Verständnis der individuellen Unterschiede bei der Informationsverarbeitung und bei Lernprozessen je nach Alter.

Professorin Leesa Wheelahan von der Universität Toronto referierte über den Kompetenzansatz in der Berufsbildung. Sie erklärte, dass der Diskurs über Humankapital in vielen Ländern eine direkte Verbindung zwischen der Investition in spezifische Kompetenzen und Arbeitsplätzen suggeriert und dass die Berufsbildung Individuen helfen könne, ihre Ziele zu erreichen, was wiederum den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die soziale Gerechtigkeit stärkt. Alexandra Spitz‑Oener, Professorin für Wirtschaftswissenschaften, sprach über die Flexibilität von Arbeitnehmenden und die entsprechenden Auswirkungen auf Löhne und Beschäftigung. Sie berichtete von zwei Ansätze, wie sich Arbeitnehmer/innen an veränderte Kompetenzanforderungen anpassen: einerseits durch berufliche Mobilität, andererseits durch Anpassungen an die Aufgaben innerhalb der Berufe.

Kontakt

Antje Barabasch, Kongressleitung, @email, +41 58 458 27 89

Lucia Probst, Kommunikation EHB, @email, +41 58 458 28 01