Bili – Frequently asked questions

Auf dieser Seite finden Sie Antworten zu häufig gestellten Fragen rund um den bilingualen Unterricht (Bili).


Warum gehören Fremdsprachen auch in die berufliche Grundbildung?

Für eine gute Arbeitsstelle werden immer öfter Kenntnisse in mindestens einer Fremdsprache verlangt. Besonders die internationalisierte Arbeitswelt stellt die Berufsbildung vor neue Herausforderungen. Die berufliche Mobilität und die damit einhergehenden Fremdsprachenkompetenzen entwickeln sich zu Schlüsselfaktoren für die Arbeitsfähigkeit der Arbeitnehmenden und für die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

Worin besteht die «Fremdsprachenlücke» in der beruflichen Grundbildung?

Der internationalisierte Arbeitsmarkt verlangt nach grösserer Mobilität und Fremdsprachenkompetenz. Die berufliche Grundbildung hat diesen Trend noch nicht aufgenommen und bei dem weitaus grössten Teil der Berufe gibt es keinen verpflichtenden Fremdsprachenunterricht.
Oder, um es mit den Worten von Josef Widmer, dem stellvertretendem Staatssekretär für Bildung, Forschung und Innovation zu sagen: „Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, ein paar Zahlen zum Fremdsprachenunterricht in der Berufsbildung zu nennen: Seit 2005 wurden 212 revidierte oder neue Bildungsverordnungen in Kraft gesetzt. In gerade mal 36 Bildungsverordnungen ist die Vermittlung mindestens einer Fremdsprache Pflicht – sei es eine Landessprache oder Englisch. 36 Berufe gegenüber 176, in denen grundsätzlich kein Fremdsprachenunterricht vorgeschrieben wird. Angesichts dieser Zahlen ist für mich klar: Hier besteht Handlungsbedarf.“

Wie kann an der Schule eine Fremdsprache gefördert werden, wenn in der Bildungsverordnung kein Fremdsprachenunterricht vorgesehen ist?

In der Berufsbildung ist es am nächstliegenden, eine zweite Unterrichtssprache in den regulären Unterricht einzubeziehen (Zweisprachiger Unterricht / bilingualer Unterricht / «bili-Unterricht»). Die Fremdsprache wird so – ganz der Praxisorientierung der Berufsbildung entsprechend – in einem oder mehreren Fächern bzw. Themen angewendet - unter Beibehaltung der Lernziele des jeweiligen Fachs. Auch ohne weiteren Sprachunterricht kann dadurch mindestens aufrechterhalten werden, was in der Volksschule gelernt wurde. In der Regel machen die Lernenden aber Fortschritte und entwickeln Interesse, weil sie sich an den Gebrauch der Sprache gewöhnen und deren Nutzen erfahren.

Was ist bilingualer Unterricht?

Zweisprachiger oder bilingualer Unterricht, kurz bili, ist nicht Fremdsprachenunterricht im herkömmlichen Sinne. Es ist Unterricht in zwei Sprachen, wobei Inhalte des Sachfachs in der Fremdsprache vermittelt werden. Im Englischen spricht man von „content and language integrated learning“ (CLIL), also von integriertem Lernen von Inhalten und Sprache. Die Fremdsprache wird zur Arbeitssprache – ohne normativen Anspruch an den richtigen Sprachgebrauch.
Die Lehrperson führt zum Beispiel ein neues Thema zuerst auf Deutsch ein und vertieft dieses dann mit zweisprachlichen Aktivitäten. Auf diese Weise werden bei der Verarbeitung des Themas die Sprachkenntnisse und das Vokabular in beiden Sprachen verbessert. Die Sprache wird verwendet, um zu kommunizieren, sie ist Arbeitssprache und nicht Unterrichtsthema wie im Fremdsprachenunterricht. Dabei können auch Fehler gemacht werden, ohne dass diese gleich besprochen werden müssen, solange keine Missverständnisse entstehen. Die Lernenden in den zweisprachigen Klassen haben im Unterricht und in den Prüfungen gewisse Freiheiten, z.B. in der Zweitsprache oder auf Deutsch zu antworten.
Die Methode ist geeignet, fachspezifische Fremdsprachkenntnisse der Lernenden zu fördern und garantiert gleichzeitig, dass die Lernenden den Stoff ebenso gut lernen wie im einsprachigen Unterricht.
Je nach Sprachniveau und Ausbildungsrichtung der Lernenden kann der Anteil der zweiten Sprache zwischen  30%  und  100% (Immersion) variieren.

​Wozu ist zweisprachiger Fachunterricht gut?

Zweisprachiger Fachunterricht erlaubt es, eine Fremdsprache, die in der Volksschule erworben wurde, auf natürliche Weise zu erhalten und weiter auszubauen, auch wenn kein zusätzlicher Fremdsprachenunterricht besucht wird. Dies ist besonders relevant vor dem Hintergrund, dass in der Berufsbildung 50% der Lernenden keinen obligatorischen Fremdsprachenunterricht haben. 
Die Fremdsprache wird zur Arbeitssprache – ohne normativen Anspruch an den richtigen Sprachgebrauch. Das hat als Konsequenz, dass die Lernenden im bilingualen Unterricht mutiger und kommunikativer werden, sowohl in der Fremdsprache als in fachlicher Hinsicht.
Die zweisprachige Berufsmatura ist ein hervorragendes Mittel zur Begabtenförderung und Positionierung der Berufsmaturitätsschulen gegenüber den Gymnasien.

Die Vorteile der Methode

Der Vorteil des zweisprachigen Unterrichts ist die Gleichzeitigkeit des Lernens von Fach und Sprache. Da die Lektionenzahl an Berufsfach- und Berufsmaturitätsschulen kaum mehr ausdehnbar ist, ist ein solch kompaktes, stundenplanneutrales Lernen äusserst effizient: In den drei oder vier Lehrjahren werden fachliche Inhalte und gleichzeitig die Fremdsprache gelernt.
Mit dem bilingualen Unterricht sind auch didaktische Chancen verbunden: Weil in zwei Sprachen unterrichtet wird, muss der Stoff besonders klar strukturiert und präsentiert sowie wiederholt eingeübt werden. Inhalte und Wortschatz werden zwei Mal erarbeitet, einmal in der Erstsprache und einmal in der Zweitsprache. Deshalb verstehen Lernende in zweisprachigen Klassen den Stoff oft sogar besser als im einsprachigen Unterricht. Da der zweisprachige Unterricht in den meisten Schulen auf freiwilliger Basis durchgeführt wird, ist die Motivation der Lernenden besonders hoch. Eine zweite Unterrichtssprache fördert das Sprachenlernen auf dieser Stufe daher besser als Fremdsprachunterricht allein. Denn das themen- oder fachbezogene Anwenden der Sprache kommt dem Praxisbezug der Berufsfach- und Berufsmaturitätsschulen entgegen.

Können alle Lernenden dem zweisprachigen Unterricht folgen?

Es ist eine Methode für alle Lernenden. Sprachlich stärkere Jugendliche schaffen immer wieder die Hürde des „First Certificate in English“. Lernende, die im betreffenden Fach eher Mühe haben, profitieren von der Methode, da sie in diesem Unterricht konzentrierter sind und der Stoff wiederholt eingeübt wird. Die Mindestanforderungen zu Beginn des zweisprachigen Unterrichts sind Sprachkenntnisse im Umfang von 2-3 Jahren Englisch- bzw. Französischunterricht an der Oberstufe der Volksschule. In der Regel ist auch ein Wechsel zurück in eine einsprachige Klasse möglich, falls ein Schüler oder eine Schülerin dies wünscht.

Kommt im «Bili-Unterricht» nicht die Landessprache zu kurz?

Nein. Die Landessprache gehört auch bei «Bili-Klassen» zum Fach Allgemeinbildung. Wenn dieses Fach bilingual unterrichtet wird, wird sowohl Deutsch wie auch die zweite Sprache gefördert.
Generell gilt sogar: In Fächern, die bilingual unterrichtet werden, wird mehr auf die Sprache geachtet, also das Sprachenbewusstsein in beiden Sprachen gefördert. Ganz im Sinne der Devise: „Jeder Unterricht ist Sprachunterricht.“


 

Anforderungen an die Lehrpersonen

Lehrpersonen, die ihr Fach teilweise oder hauptsächlich in einer zweiten Sprache unterrichten, verfügen in dieser Sprache in der Regel über ein Kompetenzniveau C 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens (GER), insbesondere im Hör- und Leseverstehen sowie im Sprechen. Die Fachsprache der Fachgebiete, die sie in der zweiten Sprache lehren, ist ihnen vertraut. Sie absolvieren in den ersten drei Jahren ihres zweisprachigen Unterrichts eine anerkannte Weiterbildung in zweisprachiger Didaktik oder Immersionsdidaktik.

Wie gut kann man Englisch (oder Französisch) nach 3 oder 4 Jahren «Bili-Unterricht»?

Zweisprachiger Unterricht fördert einen selbstverständlichen Umgang mit Englisch (oder Französisch) und speziell die aktive Anwendung in der Auseinandersetzung mit den Themen des allgemeinbildenden oder berufskundlichen Unterrichts.
Dabei geht es weniger um sprachliche Perfektion, für die eher der Fremdsprachunterricht zuständig ist, sondern um positive Erfahrungen mit fremdsprachlichen Aktivitäten, um Erfahrungslernen und um Training und Gewöhnung.
So lernt man etwa, mündliche und schriftliche Informationen und Texte zu verstehen, und zwar auch in fachlichen Zusammenhängen; an Gesprächen und Diskussionen teilzunehmen; ein Thema vor Publikum zu präsentieren; speziellen Wortschatz mündlich und schriftlich anzuwenden; Texte zu verfassen und anders mehr.
Sicher ist: Dank «Bili-Unterricht» können die zweitsprachlichen Kenntnisse, die in der Volksschule erworben wurden, aufrecht erhalten und meist deutlich verbessert werden.
Die Erfahrung zeigt, dass die meisten Lernenden von «bili-Unterricht» klar profitieren – abhängig natürlich vom Einsatz der Lernenden sowie von der Dauer und der Intensität dieser Art Unterricht.

 

Wer ist zuständig für Fremdsprachenunterricht?

Eine Fremdsprache als Fach gibt es an der Berufsfachschule, wenn es in der «Bildungsverordnung» des Lehrberufs so vorgesehen ist. Diese regelt vor allem den Umfang des Fachs. (Lektionenzahlen nach Lehrjahr) Die Inhalte und Ziele des Fachs sind im «Bildungsplan» festgelegt, der zur Verordnung gehört.


 

Genügen die Fremdsprachenkenntnisse aus der Volksschule nicht?

Besonders auf der Ebene der Volksschule wird mit dem Lehrplan 21 viel in die Förderung der Fremdsprachen investiert:  die erste Fremdsprache wird im dritten Schuljahr eingeführt, neue Lehrwerke sind für den Fremdsprachenunterricht auf der Sekundarstufe I entwickelt worden, die methodisch die Kommunikation und nicht sprachliche Korrektheit in der Vordergrund stellen. Die Förderung der fremdsprachlichen Kommunikationsfähigkeit hat einen hohen Stellenwert im Curriculum auf Sekundarstufe I und die hier errungenen Kompetenzen sollten auf Sekundarstufe II zumindest nicht verloren gehen.

​Welche beruflichen Grundbildungen haben heute keine Fremdsprache im Stundenplan?

Dies ist bei der grossen Mehrheit der Lehrberufe der Fall, vor allem im gewerblich-industriellen Bereich, aber auch bei den Gesundheits- und Sozialberufen. Leider gibt es über die „Fremdsprachenlücke“ keine gesamtschweizerischen offiziellen Angaben. Im Jahr 2000 ergab eine Umfrage an allen Berufsschulen im Kanton Zürich, dass im gewerblich-industriellen Bereich nur in 35 (von ca. 250) beruflichen Grundbildungen eine Fremdsprache zum Pflichtbereich gehört – allerdings oft nur während eines Teils der Lehrzeit. Wichtiger als die Zahl der Lehrberufe ist allerdings die Zahl der Jugendlichen: In der erwähnten Umfrage ergab sich in Bezug auf die Zahl der Jugendlichen ein Anteil von gut 50% ohne jeglichen Fremdsprachenunterricht während der Lehre. (BM-Schüler/innen nicht mitgerechnet). In den Lehren gewerblich-industrieller Richtung mussten sich sogar vier von fünf (ca. 80%) mit den Kenntnissen aus der Volksschule zufrieden geben. Diese Ergebnisse dürften in etwa den gesamtschweizerischen Verhältnissen entsprechen.
Fast jede/r zweite Jugendliche ohne Berufsmaturität muss also während der Lehre das in der Volksschule Gelernte aufs Eis legen – und verliert in diesen drei oder vier Jahren viel entsprechende Kompetenz.


 

Welche beruflichen Grundbildungen haben eine Fremdsprache im Stundenplan?

Am besten dotiert sind – seit langem – die kaufmännischen Lernenden mit zwei Fremdsprachen während der ganzen dreijährigen Lehre. Wer zusätzlich die Berufsmaturität besucht, hat ebenfalls zwei Fremdsprachen als Pflichtfach.
Englisch ist Pflichtfach auch bei den technischen Lehrberufen (z. B. Elektroniker/in), und bei einigen anderen Berufen, z.B. Informatiker/in, Grafiker/in, Chemielaborant/in und Physiklaborant/in. In den „neuen Berufen“, die seit 2004 entstehen (Inkrafttreten des neuen Berufsbildungsgesetzes), wird nur in wenigen Fällen neu ein Fremdsprachfach eingeführt, so z. B. bei den Berufen Automechaniker/in, Optiker/in.


 

Wie lässt sich bei allen Berufslernenden mindestens eine zweite Sprache fördern?

Dafür sind eine Vielzahl von Massnahmen möglich und nötig. Alle Partner der beruflichen Grundbildung sind dabei gefordert: Bund, Kantone und Schulen sowie Verbände. Die Frage eines Fremdsprachfachs und Fragen der betrieblichen Fremdsprachförderung sind Sache der Verbände, zweisprachiger Unterricht ist Sache der Schulen bzw. der Kantone. Beide Wege bedingen ein Engagement der Institutionen für die Aus- und Weiterbildung der Lehrpersonen und der Ausbildenden im Betrieb. Eine gute Umsetzung braucht vor allem motivierte und kompetente Fachleute bei den Behörden und an den drei Lernorten.
Bisher am ausführlichsten zusammengestellt sind die Ziele und Massnahmen im Bericht an die EDK "Koordination des Fremdsprachenunterrichts auf der Sekundarstufe II" (2007), insbesondere in Kapitel 4 und 5.1/5.2. (EDK)