«Die Generation Z weiss sehr genau, wie sie am besten lernt»

Yannick Blättler berät Unternehmen dazu, wie sie mit Lernenden oder mit Kundschaft aus der Generation Z am besten umgehen. Er sagt, die 16- bis
25-Jährigen seien offener und karrierebewusster als frühere Generationen und würden multimedialer und individueller lernen. Und sie seien bereit, die Ausbildung schnell abzubrechen, wenn es ihnen nicht passt.

Yannick Blättler steht auf einer Dachterasse in Zürich
Yannick Blättler: «Die Generation Z geht viel offener mit Themen wie Klimawandel, Gendergerechtigkeit oder Diversität um.»
zvg

Interview: Peter Bader

 

Herr Blättler, altersmässig gehören Sie als 28-Jähriger der Generation Y an. Warum sind Sie ein Spezialist für die Generation Z?
In meiner Bachelorarbeit habe ich mich mit der Frage beschäftigt, wie Familienunternehmen am besten junge Menschen als Mitarbeitende, Lernende und auch als Kundinnen und Kunden gewinnen können. Dabei merkte ich: Viele Unternehmen haben diesbezüglich grossen Beratungsbedarf. Deshalb habe ich mich mit meinem Unternehmen quasi als «Übersetzungsbüro» darauf spezialisiert. Viele unserer Mitarbeitenden gehören selber der Generation Z an.

 

Ein Aktivist der Klimajugend setzt nicht die gleichen Prioritäten im Leben wie eine Influencerin für Modetrends. Kann man über diese Generation überhaupt allgemeingültige Aussagen machen?
Ja, ich denke schon. Junge Menschen werden in grundlegenden Fragen immer durch die Zeit geprägt, in der sie aufwachsen. Die Generation Z geht viel offener mit Themen wie Klimawandel, Gendergerechtigkeit oder Diversität um – auch, weil die jungen Leute über soziale Medien einen viel direkteren Zugang zu den Themen haben und sie dort ausgiebig diskutieren können. Zudem sind sie wahre Digital Natives.

Mister Generation Z

Yannick Blättler (28) absolvierte einen Bachelor in Betriebswirtschaft an der Universität Zürich und einen Master in Business Innovation an der Universität St. Gallen. 2018 gründete er mit der Neoviso AG sein eigenes Marktforschungsund Beratungsunternehmen, das sich Fragen rund um die Generation Z widmet. Neoviso beschäftigt heute 20 Mitarbeitende. Blättler lebt mit seiner Partnerin in Luzern und spielt in seiner Freizeit gerne Squash.

Was bedeutet das für die Berufswahl und Lehrstellensuche?
Unsere Erhebungen haben ergeben, dass die Eltern für die Berufswahl nach wie vor sehr wichtig sind. Für die Generation Z spielen aber die Perspektiven eine viel grössere Rolle. Unternehmen, welche die Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten eines Berufs konkret aufzeigen können, haben bei den jungen Leuten bessere Chancen. Auf dem Arbeits- und Lehrstellenmarkt gibt es derzeit viele offene Stellen. Die Jugendlichen können also sehr frei wählen. Die Chance, dass sie ihre Traumlehrstelle bekommen, ist grösser als auch schon. Sie sitzen am längeren Hebel.

 

Wie sollen Lehrbetriebe darauf reagieren?
Es reicht nicht mehr, nur darauf hinzuweisen, dass sie über freie Lehrstellen verfügen. Sie müssen diese auch mit Bildern, Videos und Texten ausführlich beschreiben: In welchem Team werden die Lernenden arbeiten? Welche beruflichen Perspektiven haben sie über die Lehre hinaus? Gibt es auch die Möglichkeit, bezüglich Ort und Zeit flexibel zu arbeiten? Letzteres können nicht alle Unternehmen bieten. Aber je flexibler sich eine Firma zeigt, desto grösser sind ihre Chancen bei jungen Leuten. Denn diese sind auch viel schneller bereit, eine Lehre abzubrechen, wenn es ihnen nicht passt.

«Je flexibler sich eine Firma zeigt, desto grösser sind ihre Chancen bei jungen Leuten.»

Der Durchhaltewillen ist also kleiner geworden?
Das würde ich so nicht sagen. Tatsächlich könnten junge Menschen die Dinge bisweilen etwas konsequenter und langfristiger angehen. Wenn ihnen etwas gefällt, ziehen sie eine Sache aber oft auch durch. Sie können sehr loyal sein, sind aber durchaus auch opportunistischer: Sie nützen die Chancen, die sich ihnen bieten, früher und konsequenter aus – wenn es sein muss, auch in einem anderen Betrieb.

 

In welcher Unternehmenskultur fühlen sie sich wohl?
Wichtig ist ihnen ein kollegiales, aber professionelles Umfeld. Es ist entscheidend, dass man ihnen auf Augenhöhe begegnet. Nachhaltigkeit ist vielen ein grosses Anliegen. Bei diesem Thema wollen viele junge Menschen im Unternehmen schon früh Verantwortung übernehmen. Und der Arbeitsplatz sollte modern und effizient eingerichtet sein.

 

Wie unterscheiden sich die Lerntechniken der Generation Z von jenen der älteren Generationen?
Die Generation Z lernt sehr viel multimedialer und individueller. Ihr stehen Websites, Podcasts, YouTube-Videos oder Chats zur Verfügung. Zudem gibt es inzwischen Tools für Live-Nachhilfe, mit denen ich innerhalb von 20 Minuten Hilfe von einem Coach irgendwo in der Schweiz bekomme. Die jungen Menschen wissen sehr genau, wie sie am besten lernen. Und sie legen sehr viel weniger Wert auf reines Wissen. Wichtig ist ihnen vor allem, dass sie sich Wissen schnell aneignen und es dann anwenden können.

«Die Generation Z lernt sehr viel multimedialer und individueller.»

Welche sind die grössten Missverständnisse der Unternehmen in Bezug auf die Generation Z?
Dass «die Jungen» gar nicht mehr arbeiten wollen. Das stimmt nicht. Allerdings: Führungspersonen müssen sie vom ersten Tag an für den Job begeistern. Die jungen Menschen hinterfragen vieles, bringen aber auch eine hohe Lernbereitschaft mit. Unternehmen, die nicht bereit sind, sich auf diese Generation einzulassen und sich anzupassen, werden in den nächsten fünf bis zehn Jahren Probleme bekommen.

 

Inwiefern?
Die jungen Leute bewegen sich nun mal fast ausschliesslich auf Plattformen wie Instagram, Snapchat oder TikTok. Wer Lernende sucht oder seine Produkte verkaufen will, kommt daran nicht vorbei.

 

Gibt es eigentlich auch etwas, das Ihnen an der Generation Z persönlich missfällt?
Ich bin nicht der Anwalt der «Jungen». Mir geht es vor allem darum, dass die Generationen zusammenfinden. Was ich kritisch sehe: Ihre Motivation, sich digitales Know-how anzueignen, beschränkt sich oft auf das reine Anwenden. Welche Technik sich dahinter verbirgt, interessiert sie eher nicht so. Das kann man zum Teil dem Bildungssystem ankreiden, zum Teil aber auch den jungen Leuten selber.

 

 Peter Bader, freier Redaktor, Kommunikation EHB