Nachhaltigkeit soll nicht nur im Unterricht stattfinden

Als Fachperson für Innovationen in den Bereichen Kreislaufwirtschaft und "New Work" kennt Dr. Noora Buser die Ansprüche an eine nachhaltige Berufsbildung. Im Interview verrät sie, wie Berufe nachhaltiger werden und gewährt einen Einblick in ihre Keynote an der EHB-Tagung vom 31. Mai 2022.

Bild von Dr. Noora Buser zum Thema Nachhaltigkeit in der Berufsbildung
Frederike Asael

Frau Buser, was hat Nachhaltigkeit eigentlich mit Berufsbildung zu tun? 
Beide Bereiche sind zukunftsgerichtet und wollen etwas aufbauen, das langfristig Bestand hat. Gerade auch in der Berufsbildung stellt sich die Frage, wie die Zukunft aussehen soll und welche Kompetenzen wir dafür benötigen. Klar ist, dass nachhaltige Berufe nur entstehen können, wenn wir heute bereits starke Kompetenzen in diesem Bereich aufbauen.  

Als Co-Präsidentin des Impact Hub Schweiz und Vorstandsmitglied der Circular Economy Switzerland haben sie sich auf das Thema Kreislaufwirtschaft spezialisiert. Welche Rolle spielt diese in Bezug auf die Berufsbildung? 
Es gibt etliche Prognosen, die besagen, dass die Kreislaufwirtschaft viele neue Arbeitsstellen schaffen wird. Zum Beispiel im handwerklichen Bereich, wo es bei Reparaturdienstleistungen einen Zuwachs geben könnte. Hier braucht es Personen, die wissen, wie sie ein Gerät reparieren oder Material richtig recyclen können.  

Und welche Anforderungen stellt die Kreislaufwirtschaft an die Berufsbildung? 
Die grösste Herausforderung sehe ich darin, die gewohnten Denkmuster zu verlassen und multidimensional zu denken. Heute produzieren wir ein Produkt, verkaufen es, verwenden es ein paar Mal und werfen es dann weg. In der Kreislaufwirtschaft denken wir bereits zum Produktionsbeginn daran, was am Ende mit diesem Produkt geschehen soll. Auf diese Denkweise folgen Taten. Auch in der Welt der Berufsbildung.  

Können Sie ein Beispiel aus der Praxis teilen, in dem die Kreislaufwirtschaft bereits funktioniert?
Ich kenne sehr viele Unternehmen, die das Mindset der Kreislaufwirtschaft bereits fest in ihrer Firmenkultur verankert haben. Zum Beispiel eine Schreinerei, die nur Altholz für ihre Produkte verwendet. Oder Unverpacktläden, in denen die Kundschaft das Verpackungsmaterial selbst mitbringt. Jedes Jahr entstehen mehr solche Firmen und Ideen.

Nora Buser spricht frei in einem Raum
Jasmin Frei

Wo hat die Berufsbildung noch Verbesserungsbedarf in Bezug auf Nachhaltigkeit? 
Mir fällt bei Nachhaltigkeits-Workshops mit Lernenden auf, dass viele sehr motiviert sind und gute Ideen haben. Hier ist es wichtig, dass die Lehrbetriebe ihren Ideen mit Offenheit begegnen und sich überlegen, wie sie diese in den Lehrbetrieb integrieren wollen. Denn Nachhaltigkeit soll nicht nur im Unterricht stattfinden.  

Haben Sie Tipps für Berufsbildende, wie sie die Kreislaufwirtschaft in ihre Arbeit integrieren können?  
Es gibt viele Beispiele, die zeigen, dass es für alle Branchen möglich ist, bereits mit kleinen Veränderungen eine Wirkung zu erzielen. Neben Praxisbeispielen braucht es hier auch Diskussionen und partizipative Methoden. Die Lernenden, Berufsfachschulen und Lehrbetriebe sollen zusammen entscheiden, wie und wo sie anfangen können. Zum Start empfehle ich, einfach mal etwas auszuprobieren, ohne Anspruch an Perfektion.  

An der EHB-Tagung sprechen Sie über «Wirtschaft als Motor für Nachhaltigkeit». Worauf können sich die Besucherinnen und Besucher freuen? 
Mein Ziel ist es, ihre Neugier zu wecken und ihnen nicht vorzuschreiben, was sie tun sollen. Ich werde aufzeigen, was alles möglich ist und bringe auch viele spannende Praxisbeispiele als Inspiration mit. Ich muss nur schauen, dass die Zeit nicht knapp wird, denn die Wirtschaft ist schon heute ein starker Motor für die Nachhaltigkeit.