Berufswissen in Ausbildung und Praxis

In Frankreich ist die Berufsbildung Gegenstand regelmässiger Debatten in der Bildungs- und Arbeitswelt und ein zentrales Anliegen des Staates und der Regionen, in deren Zuständigkeit die Berufsbildung liegt. Die EHB unterstützt ein von französischen Forschungslabors (Poitiers, Limoges, Bordeaux, Créteil, Paris) lanciertes Projekt als Partnerin.

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In Frankreich ist Arbeitslosigkeit, insbesondere unter den am schlechtesten qualifizierten Jugendlichen, und die damit verbundene Gefahr des Ausschlusses oder der Entkopplung (Castel 1995), aber auch Rekrutierungsprobleme in einzelnen Branchen ein grosses Thema. Dabei wird auch immer wieder Kritik an der Berufsbildung laut, vor allem auf den Stufen 4 und 5 (Certificat d’aptitude professionnelle, Brevet professionnel/des métiers und Bac pro). Das hat die Forschenden Prof. Dr. Nadia Lamamra, Dr. Lorenzo Bonoli und Dr. Barbara Duc zusammen mit der Université de Poitiers und der Université de Lomoges veranlasst, im Rahmen dieser Forschungsarbeit Fragen im Zusammenhang mit dem Berufswissen in Ausbildung und Praxis näher zu beleuchten.

Sozialwissenschaftliche Studien zum Thema Berufswissen sind nicht neu. Es gibt sie bereits in vielfältiger Form. Die Soziologie hat etwa ein ganzes Fragenfeld zum Begriff «Beziehung zum Wissen» (Charlot 1999, Jellab 2001) erarbeitet. Soziologinnen und Soziologen haben branchenspezifische Ansätze des Berufswissens in verschiedenen Tätigkeitsbereichen untersucht (Denave und Renard 2015, Divert 2012, Moreau 2010) und dabei die «geschlechtsspezifische» Dimension des Wissens umfassend berücksichtigt (Lamamra 2016, Depoilly 2014). Weitere Forschungsarbeiten beschäftigten sich mit dem Aufbau von Berufswissen mithilfe von Instrumenten der öffentlichen Bildungspolitik (Harlé 2010, Maillard 2008). Die Bildungswissenschaften ihrerseits haben den Begriff des «Curriculum» (Lebeaume 1999, Forquin 2008) hervorgehoben und sich mit der Bildungsinteraktion (Filiettaz, De Saint-Georges und Duc 2008, Filiettaz und Schubauer-Léoni 2008, Veillard 2017) oder mit der Berufsdidaktik (Kunégal 2011, Pastré 2011) befasst.

Die aktuelle Studie soll über diese Ansätze hinausgehen. So sollen die sozialen Räume, in denen das Berufswissen aufgebaut wird (Ausbildung), und die sozialen Räume, in denen es aktiviert und umgesetzt wird (die Praxis, zu verstehen als soziodemografische Lebens- und/oder Arbeitsmarktregion) in den Mittelpunkt der Überlegungen gestellt werden.