Projekt

Nachhaltige Entwicklung in den beruflichen Identitäten von Lernenden in der Schweizer Berufsbildung

Nachhaltigkeit ist zu einem zentralen gesellschaftlichen Leitbegriff geworden, der ökologische Verantwortung, gesellschaftliche Solidarität und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zusammendenkt. Die Sichtweisen von Lernenden auf das mehrdeutig und kontrovers diskutierte Thema und ihre Erwartungen sind zentral für eine gelingende Integration von Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in die Berufsbildung.

Zwei junge Frauen pflanzen jungen Baum in Erde - Thema Naturschutz, Nachhaltigkeit und Rohstoffe, Klimawandel - Generative AI Illustration
Adobe Stock/Steffen Kögler

Als Bildungsauftrag findet BNE zunehmend Eingang in die Berufsbildung, um Lernenden Kenntnisse zu vermitteln, ein Bewusstsein anzuregen und als handelnde Akteure für eine sozial-ökologische Transformation im Kontext ihrer Berufsarbeit und alltäglichen Lebenswelt zu stärken. Insbesondere die Arbeitswelt gilt als kritischer Ort für Nachhaltigkeit, der sich durch technologische, wirtschaftliche und soziale Innovationen und Partizipation der (angehenden) Berufsleute aber auch verändern kann.

Das Forschungsprojekt möchte herausfinden, inwiefern Lernende das Thema Nachhaltigkeit mit Blick auf ihre Berufsarbeit beschäftigt und welcher Einfluss dabei von Bildung für nachhaltige Entwicklung im Kontext der Berufsbildung ausgeht. Aufgrund der Komplexität und Mehrdeutigkeit der Nachhaltigkeitsthematik gilt es herauszufinden, welche Probleme und Fragen Lernende damit assoziieren, aber auch welche Lösungen sie wahrnehmen. Konkret möchte die Studie Antworten auf drei zentrale Fragen geben:

  1. Welches Verständnis und Bewusstsein haben Lernende für Nachhaltigkeit mit Blick auf ihre Berufsarbeit und welche Rolle spielt Nachhaltigkeit für sie bei der Ausübung ihres Berufes? Wie integrieren Lernende Nachhaltigkeit in ihre beruflichen Identitäten?
  2. Wie kommen Lernende mit Nachhaltigkeitsthemen während der Berufsausbildung in Kontakt? Wie werden sie in der Berufsschule und im Lehrbetrieb im Rahmen von BNE angeregt, unterstützt und gefördert?
  3. Integrieren Lernende Nachhaltigkeit in ihre berufliche Identität in einem ganzheitlichen und pluralistischen Sinne und wird ein gesellschaftlicher Wandel mitgedacht?

Berufliche Identität entsteht in Sozialisationsprozessen an der Schnittstelle zwischen Individuum und Gesellschaft und ist sowohl Vorrausetzung als auch Ergebnis beruflichen Handelns. Sie entwickelt sich dynamisch im Lebensverlauf und im Austausch mit Bezugspersonen durch Reflektion beruflicher Ziele, Werte, Interessen, Kenntnisse, Fähigkeiten, Handlungen und Erfahrungen. Während ihrer beruflichen Identitätsentwicklung sind Lernende herausgefordert, ihre Erwartungen mit den Anforderungen der Arbeitswelt in ein Gleichgewicht zu bringen und diese ggf. zu verhandeln. Nachhaltigkeitsthemen können Lernende bereits bei der Berufswahl beschäftigen oder erst beim Erlernen der beruflichen Tätigkeit ins Bewusstsein gelangen. Genauso gut kann die Nachhaltigkeitsthematik kaum oder nur aus Distanz wahrgenommen werden und das berufliche Selbstverständnis wenig tangieren.

Das Forschungsprojekt wird Erkenntnisse liefern, inwiefern Lernende im Rahmen ihrer Berufsarbeit einen Beitrag für Nachhaltigkeit leisten möchten, und dabei während der Berufsausbildung unterstützt werden. Die Integration von Nachhaltigkeit in die Berufsbildung steht in der Schweiz eher am Anfang. Die Studie wird deshalb für Fachleute im Bereich BNE und Berufsbildung Hinweise liefern, wie die Sichtweisen der Lernenden auf diese Thematik bei der Integration von BNE berücksichtigt werden können. Das Projekt wird durch zwei Begleitgruppen mit Vertreter:innen aus Wissenschaft und Praxis (z.B. Berufsentwicklung, Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften für Berufsschulen) unterstützt.

Methode

Das qualitative Forschungsprojekt konzentriert sich auf fünf Lehrberufe aus verschiedenen Branchen, deren Berufsarbeit einen je spezifischen Beitrag für Nachhaltigkeit leisten kann: Heizungsinstallateur*innen EFZ, Gärtner*innen EFZ, Zeichner*innen EFZ, Florist*innen EFZ und Automobilfachpersonen EFZ. Das Projekt kombiniert verschiedene Datenerhebungen miteinander (Dokumentensammlung zu den Berufen, Focus Groups mit Lernenden, leitfadengestützte Interviews mit Lernenden, Lehrpersonen und Berufsbildner:innen, punktuelle Unterrichtsbeobachtungen). Datenerhebung und -analyse wird im Sinne des Grounded Theory Ansatz integrativ gestaltet. Das Projekt erhebt die Daten je zur Hälfte in der deutsch- und französischsprachigen Schweiz. Der Zugang zu den Lernenden erfolgt über Berufsschulen.